PRESS Am Schönsten ist das was bereits verschwunden ist

Der Standard
Mensch, hier wird getrickst

Drei Uraufführungen von Gerhild Steinbuch, Jörg Albrecht und Johannes Schrettle zeigen, wie beweglich der Text am Theater sein kann.
“Die Ernennung der Stadt Graz zur Weltstadt war seit langem mehr als überfällig gewesen.” Die Stimme auf einem MP3-Player macht gute Stimmung und lotst das sich singulär bewegende Publikum durch die Murstadt, macht Anmerkungen über das hier ringsum brachliegende Potenzial. Der Sprecher fordert auf, sich diese Welt einmal genauer anzusehen, das Schöne hervorzukehren, auf einem begrünten Tiefgaragendach oder in Privatgärten, durch die der Weg querfeldein führt. Gerhild Steinbuchs Text Am Schönsten ist das, was bereits verschwunden ist, ein Auftragswerk für den Steirischen Herbst, macht den Zuseher zum Hauptakteur dieses Theaternachmittags, der als sinnlicher Audio-Spaziergang beginnt und sich dann im Heimatsaal zur Performance bündelt. Hier setzt sich auf einer durch Wände getrennten Rundbühne der suggerierte Traum vom Weltbürger fort, moderiert als Show, die mit all ihrem Glanz und ihren schönen Menschen in einem Loop gefangen gehalten wird (Regie: Julie Pfleiderer). Diese auditiv-bildliche Sinnlichkeit erhält also einen unheimlichen Drall, der eine das Publikum miteinschließende Heldengeschichte von Liebe und Zukunft ins Schleudern geraten lässt: Bühnenwände kippen aus ihrer Verankerung, ein Spiegeltrick bringt Welten zum Verschmelzen, den Plot hält die Filmmusik zusammen. Und es ist nie ganz klar, ob wir, die Zuseher, nicht schon längst Teil dieser in sich perfekten Scheinwelt sind – eine aufregende Erfahrung.
Margarete Affenzeller